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Der Frauenprotest in der Rosenstraße 1943

Skulptur "Block der Frauen" (1995) von Ingeborg Hunzinger (1915-2009) in der Rosenstraße in Berlin - Foto: Jens-Martin Rode

Von der Karl-Liebknecht-Straße in Höhe der St. Marienkirche zweigt die ca.160 m lange Rosenstraße in Richtung Hackescher Markt ab. Innerhalb einer kleinen Grünfläche an der linken Straßenseite, umringt von vielgeschossigen Neubauten, befindet sich seit 1995 die Skulptur “Block der Frauen” von Ingeborg Hunzinger (1915-2009), die an die Ende Februar / Anfang März 1943 überwiegend von Frauen getragene mehrtägige Protestdemonstration an dieser Adresse erinnert. Vorausgegangen war dem eine von den Nationalsozialisten veranlaßte erneute Verhaftungswelle zur Deportation der jüdischen Bevölkerung. Das in der Rosenstraße 2-4 gelegene ehemalige jüdische Wohlfahrtsamt wurde in diesem Zusammenhang als Sammellager für ca. 2.000 inhaftierte Personen missbraucht und war speziell für die in sogenannter “Mischehe” lebenden jüdischen Mitbürger vorgesehen. Vor dem Sammellager fanden sich die als “arisch” geltenden Ehefrauen der Verhafteten zu einer der größten und zugleich zu einer der wenigen spontanen Protestdemonstrationen überhaupt in der Zeit des “Dritten Reiches” zusammen. Der Protest war erfolgreich. Nach ca. einer Woche wurden die ersten Inhaftierten freigelassen. Die Skulptur wurde bereits zu DDR-Zeiten als Denkmal des antifaschistischen Widerstandes initiiert, aber erst nach der Wiedervereinigung realisiert. Ebenso informieren zwei sich jeweils an den Eingängen der Rosenstraße befindliche und auf eine studentische Forschungsinitiative zurückgehende Litfaßsäulen über die Ereignisse (Rebinger, 2017, 177ff). Zeitzeugenaussagen, Auszüge aus dem behördlichen Schriftverkehr und Goebbels Tagebucheinträgen geben einen detaillierten Zugang zum Geschehen. Auf dem Areal der Grünfläche befand sich angrenzend an das jüdische Wohlfahrtsamt ebenfalls die im Jahr 1714 eingeweihte, im zweiten Weltkrieg zerstörte und nicht wiedererrichtete “alte Synagoge”. 

 

Der Film “Rosenstraße” (2003) von Margarethe von Trotta

 

Die Ereignisse in der Rosenstraße wurden einem größeren Publikum bekannt durch den 2003 uraufgeführten und mit namhaften deutschen Schauspielern (Katja Riemann, Maria Schrader, Jürgen Vogel etc.) besetzten gleichnamigen Film “Rosenstraße” der in Berlin geborenen Regisseurin Margarethe von Trotta. Im Film reist die in New York lebende Jüdin Hannah auf der Suche nach den Hintergründen ihrer Familiengeschichte nach Berlin und stößt bei der Recherche zu den Umständen der Verfolgung und Flucht ihrer Mutter Ruth aus Nazi-Deutschland auf die Ereignisse im Februar / März 1943 in der Berliner Rosenstraße. Dabei gelingt es Hannah, die hochbetagte Lena von Eschenbach ausfindig zu machen, welche damals Hannahs Mutter Ruth gerettet hatte und nun von den Geschehnissen im Jahr 1943 erzählt. Lena von Eschenbach war als Tochter aus dem Hause einer Preußischen Adelsfamilie mit einem jüdischen Musiker verheiratet, welcher nun in der Rosenstraße inhaftiert war. Lena versuchte persönlich bei Propagandaminister Josef Goebbels für ihren Ehemann und die inhaftierten zu intervenieren. Warum die Menschen in der Rosenstraße dann allerdings tatsächlich frei kamen, läßt der Film offen. Am Ende - es ist ein Film - gibt es ein Happy End und alle Fäden finden wieder zusammen. (Vgl. Wydra, 2003)

 

Berlin im Frühjahr 1943: Was geschah in der Rosenstraße?

 

Nach den in den Vorjahren einsetzenden Deportationen lebten 1943 in der Hauptstadt noch ca. 27.000 Juden. Dabei handelte es sich z.B. um Zwangsarbeiter in den Rüstungsbetrieben oder um Menschen, die nach Auffassung der Nazis “arisch versippt” waren und in sogenannten “Mischehen” lebten. Am 27. Februar 1943 verhaftete die SS ca. 7.000 Juden an ihren Arbeitsplätzen, um sie nach Auschwitz zu deportieren. Die Männer, die in sogenannten “privilegierten Ehen” lebten, internierte man dabei im ehemaligen Wohlfahrtsamt in der Rosenstraße 2-4, welches ebenso wie die Synagoge in der Levetzowstraße 7-8 und das Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 als “Hilfsauffanglager” missbraucht wurde. Vom 28. Februar bis zum 11. März 1943 protestierten einige hundert Ehefrauen, Mütter, Familienangehörige, aber auch Passanten für die Freilassung der hier Inhaftierten und harrten aller Gefahren zum Trotz vor dem Sammellager aus. In der Nacht vom 1. zum 2. März gab es einen schweren Luftangriff auf Berlin. Am 4. März wurden zudem Maschinengewehre in Anschlag gebracht, um die Menge vertreiben zu können. Nach zunehmenden Luftangriffen und der Niederlage in Stalingrad drohte die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung zu kippen. Während die Inhaftierten der anderen Sammellager deportiert wurden, befahl Goebbels für die Rosenstraße die Freilassung und ließ 25 bereits nach Auschwitz Deportierte wieder zurückholen.

 

Historische Einordnung und bleibende Mahnung

 

Die Schilderungen von Zeitzeugen und die Quellen zu den Ereignissen in der Rosenstraße unterscheiden sich in einigen Aspekten. So spricht ein Zeitungsartikel aus der unmittelbaren Nachkriegszeit von 6.000 Demonstrantinnen. Da die Rosenstraße allerdings sehr klein ist, geht man heute eher von mehreren Dutzend bis einigen hundert Demonstrantinnen aus (Kellerhoff, 2007, S. 102ff.). Nicht ganz klar ist auch die Rolle von Goebbels, welcher am 6. März “unliebsame Szenen vor einem jüdischen Altersheim” in sein Tagebuch notiert und zugleich bekundet, dem Sicherheitsdienst (SD) den Auftrag zu geben, “ (...) die Judenevakuierung nicht ausgerechnet in einer so kritischen Zeit fortzusetzen”. Theoretisch allerdings war eigentlich die Gestapo und nicht der SD für die Deportationen zuständig und Goebbels hatte hier formell keine Weisungsbefugnis (Kellerhoff, 2007, S.106). Wie perfide die Verfolgungsmaschinerie der Nazis funktionierte, zeigen die Nachforschungen des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung an der Berliner TU: Demzufolge wollte das “Reichssicherungshauptamt” als übergeordnete Behörde Juden aus “Mischehen” ohnehin nicht unmittelbar deportieren. Sie wurden nach Nazi-Jargon in der Rosenstraße zunächst “zusammengezogen”, um aus ihrem Kreis ca. 200 Personen zu rekrutieren, die wiederum ca. 450 “volljüdische” Beschäftigte ersetzen sollten, die wiederum dann tatsächlich bis Mitte März 1943 zusammen mit ihren Familien deportiert worden sind (Kellerhof, 2007, S.108). Davon konnten die Frauen allerdings nichts wissen. Sie mussten angesichts der Verhaftungswelle Ende Februar zwangsläufig davon ausgehen, dass ihre Partner nun nicht mehr durch die Ehe mit ihnen geschützt waren und begaben sich selbst mit dieser spontanen Protestaktion in akute Lebensgefahr. 

 

Das Mahnmal in der Rosenstraße eignet sich gut, um aufzuzeigen, wie gefährlich die totalitäre nationalsozialistische Herrschaft und die Rassenideologie für Alltag und Privatleben der Menschen im Dritten Reich war, und wie perfide und bürokratisch kleinteilig die Judenverfolgung zunehmend organisiert wurde. Waren nach den Nürnberger Rassegesetzen (1935) Liebesbeziehungen und Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden verboten worden, drängte das Regime nichtjüdische Partner bestehender Ehen zunehmend zur Scheidung. Ab 1937/38 begann eine Differenzierung in Verfolgungskategorien mit einem komplexen Definitions- und Regelwerk für “Mischehen”. Je nach Geschlecht des Ehepartners oder konfessioneller Erziehung der Kinder konnten Ehen als “privilegiert” gelten oder nicht, gemeinsame Kinder zu “Geltungsjuden” erklärt werden oder nicht, was im Alltag über den unterschiedlichen Grad von Demütigung und Stigmatisierung (z.B. “gelber Stern”) entschied (Moeller, 2003, S.28). Hinsichtlich der “Mischehen” wurde auf der Wannseekonferenz (1942) beschlossen, dass über Deportation und Ermordung von Fall zu Fall mit Rücksichtnahme auf die nichtjüdischen Verwandten entschieden werden soll (Moeller, 2003, S.55). Anfang 1943 gab es im Regime dann aber eine Art Wettlauf, Städte “judenrein” zu machen. Im Zuge der später so genannten “Fabrikaktion”, der Ersetzung deportierter Juden durch andere Zwangsarbeiter, sollte in der Rosenstraße möglicherweise auch die Stimmung der Bevölkerung hinsichtlich der weiteren Verfolgung von Partnern in den “Mischehen” getestet werden. So gesehen konnte im Jahr 1943 Zivilcourage im Alltag die Shoa längst nicht mehr stoppen, in einem kleinen Bereich aber wenigstens Sand ins Getriebe der millionenfachen Mordmaschinerie streuen.   

 

Quellen:

 

- Kellerhoff, S. F. (2007). Ortstermin Mitte - Auf Spurensuche in Berlins Innenstadt. Beltz Verlag.

- Rebinger, B. (2017). Jüdisches Berlin (Erweiterte Neuausgabe, 1. Aufl.). Jaron Verlag.

- Moeller, F. (2003). Der Protest in der Rosenstraße - Eine Woche in Berlin des Jahres 1943. In T. Wydra (Hrsg.), Rosenstraße Ein Film von Margarethe von Trotta - Die Geschichte, die Hintergründe, die Regisseurin (S. 25–60). nicolai.

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