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Mit dem Ohr am Teufelsberg: Die Beobachteten beobachten die Beobachter

Zwischen Heerstraße und Teufelssee erheben sich im Berliner Grunewald der Teufelsberg und der Drachenberg. Auf der nach neuesten Messungen mit 120,1 Meter höchsten Erhebung Berlins (Behling & Jüttemann, 43) thront weithin sichtbar die Ruine der ehemaligen britisch-amerikanischen Radarstation als Relikt aus dem Kalten Krieg. In einer Zeit, in der aus einem “kalten” auch jederzeit ein “heißer” Krieg hätte werden können, war dieser Horchposten in West-Berlin auf einer Insel inmitten des Warschauer Paktes Gold wert für die Feindaufklärung. So ist der Teufelsberg auch 30 Jahre nach dem Mauerfall Symbol für das Wettrüsten im Kalten Krieg.

 

Die Realität schreibt noch immer die besten Spionagegeschichten:

 

Der Westberliner Automechaniker Hüseyin Yilderim und der US-Warrant-Officer James W. Hall haben jahrelang unter den Decknamen “Blitz” und “Paul” für die Stasi Geheimnisse des Teufelsbergs geknackt. Wie kam es dazu? Auf der Suche nach dem großen Geld kommt der Automechaniker Yilderim in den 70’er Jahren nach West-Berlin und gerät durch eine Tätigkeit als begnadeter KFZ-Mechaniker (Spitzname “The Meister”) bei den Selbsthilfewerkstätten der US-Armee in den “Andrew Barracks” in Lichterfelde in engen Kontakt mit Angehörigen der Streitkräfte. Yilderim ist bei den US-Soldaten beliebt und bekommt irgendwann Zutrittsausweise zu Armee-Einrichtungen. Irgendwann kommt er auf die Idee, was er täglich hört und sieht, zu Geld zu machen und bietet sich der Stasi in der Normannenstraße in Ost-Berlin an. Diese setzt ihren neuen Informanten nach anfänglichem Zögern nun auf den Teufelsberg im Grunewald an. Unter den 1.500 Bediensteten (Cocroft & Schofield, 46) ist auch James W. Hall, der als jung verheirateter Familienvater dringend Geld benötigt. Yilderim kann James W. Hall - unter Vortäuschung, für den NATO-Partner Türkei zu arbeiten - dazu überreden, zunächst “nur ein paar Informationen” im doppelten Boden einer Tasche aus der Abhöranlage heraus zu schmuggeln. Diese landen dann aber nicht in Ankara, sondern in Ost-Berlin. In die Gegenrichtung fließt Geld, und das Unheil nimmt seinen Lauf. Yilderim hat Blut geleckt und versucht, nun weitere Personen anzuwerben. Dabei wird er sogar einmal erwischt und zum Verhör vorgeladen. Doch niemand möchte so recht glauben, dass der Automechaniker Yilderim ein Spion ist und alles läuft weiter wie gehabt. Als Hall von Berlin nach Frankfurt versetzt wird, kommt er an noch brisantere Informationen heran. Die Stasi geht in die Offensive und will James W. Hall nun bei einem geheimen Treffen in Ost-Berlin direkt verpflichten. Yilderim bleibt sein “Instrukteur” und es klappt. Das Team “Blitz” und “Paul” spioniert weiter. 300.000 US-Dollar sollen insgesamt an Hall geflossen sein. Doch dann kommt die Liebe dazwischen: Yilderim lernt die Musikerin Peggy Bie kennen, tourt mit ihr in einem Camper durch ganz Europa, quittiert den Auftrag bei der Stasi und landet 1987 über Umwege in einem Strandhaus in Florida. Wie der Zufall es will, wird auch James W. Hall zurück in die USA versetzt. Auf den will die Stasi aber auf keinen Fall verzichten. Deshalb bildet der DDR-Geheimdienst nun den an der Humboldt-Universität arbeitenden Englisch-Dozenten Manfred S. unter dem Decknamen “Hagen” zum neuen Kontaktmann für James W. Hall aus. “Hagen” erweist sich aber als totale Fehlbesetzung. Denn bei einem Übungseinsatz in West-Berlin läßt “Hagen” sich beim Klauen in einem Kaufhaus erwischen. Dort wird er verhaftet und bietet nun, in der Hoffnung, so aus der Nummer wieder raus zu kommen, der CIA Informationen über Spionage auf dem Teufelsberg an. Die CIA willigt ein, organisiert die Auswanderung von “Hagen” aus der DDR nebst geheimer Überfahrt von Frau und Hund im US-Diplomatenwagen und spendiert sogar 1 Mio. Dollar als Starthilfe. In den USA jedoch reichen dem FBI die Informationen von “Hagen” für eine Verurteilung von Hall wegen Spionage nicht aus. James W. Hall wird rund um die Uhr überwacht, bis Yilderim das von der Stasi auferlegte Kontaktverbot ignoriert und sich wieder bei Hall meldet. Nun stellt das FBI den Spionen “Blitz” und “Paul” eine Falle. “Hagen” täuscht vor, der KGB hätte Interesse an einer Anwerbung von James W. Hall. Bei einem fingierten geheimen Treffen zwecks Übergabe vertraulicher CIA-Unterlagen klicken die Handschellen. Auch Yilderim wird einen Tag später gefasst. 

 

Doch was wurde auf dem Teufelsberg eigentlich getrieben?

 

Die von der National Security Agency (NSA) betriebene “Field Station Berlin (FSB)” gehörte zu dem weltweiten Abhörnetz Echolon. Nach dem zweiten Weltkrieg sollte es die gesamte politische und militärische Kommunikation der Sowjetunion und ihrer Verbündeten abhören und kontrollieren. Alle greifbaren elektronischen Daten wurden aufgefangen und von den riesigen Super-Computern der NSA in Fort Meade, Maryland, verarbeitet.

 

“Ob sich irgendwo auf der Welt ein Panzer bewegt oder eine Rakete auf ein Ziel gerichtet wird, ein Botschafter mit seiner Geliebten telefoniert oder ein Abgeordneter auf die Konkurrenzpartei schimpft, ein Bauplan übermittelt, oder ein Agent angefunkt wird: Überall entstehen elektronische Signale, die abgehört werden können. Der Teufelsberg in Berlin war dafür ein idealer Standort. (...)Verfahren wurde nach dem bewährten Abhör-Motto >>In God we trust; all other we monitor.<< (In Gott vertrauen wir, alle anderen überwachen wir). Der Schwerpunkt lag auf dem, was vom Teufelsberg besonders gut zu hören war und das waren der Funkverkehr der DDR-Armee und der Russen und die vertraulichen Telefongespräche der SED-Funktionäre über die extra installierten Richtfunkstrecken von Ost-Berlin in die DDR-Bezirke.” (Behling & Jüttemann, 20f.)

 

Die Amerikaner wollten vom Teufelsberg aus nicht nur abhören, sondern im Kriegsfall auch sowjetische Funkfrequenzen übernehmen und feindliche Truppen durch gefälschte Kommunikation in die Irre leiten. Dazu wollten sie die “Berlin Field Station” ab Ende der 80’er Jahre massiv ausbauen. Doch dazu kam es nicht mehr. 1989 fiel die Berliner Mauer und der Kalte Krieg war zu Ende. (Behling & Jüttemann, 22)

 

Geschichte und Hintergrund:

 

Am 27. November 1937 legte Adolf Hitler im Grunewald den Grundstein für das erste Projekt einer ganzen Reihe an Monumentalbauten, die Berlin als “Welthauptstadt Germania” unter der Planung des Architekten Albert Speer bis zur Unkenntlichkeit umgestalten sollten: Die “Wehrtechnische Fakultät” wurde allerdings nur als Rohbau fertig. Der Krieg machte andere Prioritäten dringlicher und zu einem Vorlesungsbeginn kam es nicht mehr. 1945 lag Berlin in Trümmern und der Bau eignete sich hervorragend als Fundament für den Berg an Schutt, den 12 Jahre “Tausendjähriges Reich” hinterlassen hatten.  (Behling & Jüttemann, 7ff.) Von 1950 an bewegten sich 22 Jahre lang täglich bis zu 800 Lastzüge mit 7.000 t Schutt in den Grunewald. Ende der 60’er Jahre wurde langsam bekannt, dass die zwei empor wachsenden Berge nicht allein der Naherholung der Insulaner vorbehalten waren. Die amerikanische Schutzmacht beanspruchte den oberen Teil für sich. Militärische Zweckbauten mit ungewöhnlicher Kuppelform (sog. “Randome”) entstanden bis 1972 samt Sperrgebiet an einer für ein Restaurant vorgesehenen Stelle. Doch diese neue “höchste Erhebung vor Moskau” im Berliner Grunewald gehört eigentlich zum Britischen Sektor. Deswegen kam schnell auch britische Radar- und Abhörtechnik dazu. (Behling & Jüttemann, 10ff.) Nichtsdestotrotz: Rings um die Radar- und Abhöranlage entwickelte sich ein Wintersportzentrum mit Rodelbahnen, Skipisten, Sprungschanzen und zeitweilig sogar einem Skilift. Noch zur 750-Jahrfeier 1987 wurden hier Wettkämpfe ausgetragen. Versuche des Weinanbaus des “Wilmersdorfer Teufelströpfchens” verlagerten sich allerdings ab 1984 zum Wilmersdorfer Eisstadion.  (Behling & Jüttemann, 13ff.) Nach der Wiedervereinigung scheiterten verschiedene Hotel- und Immobilienprojekte von Großinvestoren. 2008 sollte sogar eine zwölfstöckige esoterische Friedensuniversität für 1.000 Studierende entstehen. Derzeit befindet sich das Gelände in Privatbesitz einer Investorengemeinschaft und wird von Künstlerinitiativen genutzt und touristisch erschlossen.  

 

Quellen:

  • Behling, K. & Jüttemann, A. (2014). Der Berliner Teufelsberg: Trümmer, Truppen und Touristen (1. Aufl.). Berlin Story Verlag GmbH.
  • Cocroft, W. D. & Schofield, J. (2016). Der Teufelsberg in Berlin: Eine archäologische Bestandsaufnahme des westlichen Horchpostens im Kalten Krieg (1. Aufl.). Ch. Links Verlag.

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